Mein „AVONTUUR“ mit TIMBERCOAST – Second Mate Andreas

Verantwortung, Leben und Lernen an Bord

 

Nach beinahe drei Monaten an Bord, kurz vor meinem Ausstieg in Kuba, ist es Zeit für eine Sammlung meiner Erlebnisse und vor Allem dessen, was für mich die Zeit an Bord geprägt hat. Seit meinem Einstieg auf den Azoren Anfang Dezember ist viel passiert: Besatzung und Kapitäne kamen und gingen, und mit ihnen änderte sich auch jedes Mal der Bordalltag etwas. Auch das Fahrtgebiet hat sich stark verändert. Die rauen Tage, als wir mit dicker Segelkleidung und Seekrankheitspillen gegen Kälte und Stürme vor Europa ankämpften sind vorbei. Jetzt haben wir endlich die ersehnte, karibische Wärme, und genießen sie in vollen Zügen. Freizeit findet an Deck statt, alle haben inzwischen einen schicken Teint: Von Braun bis Rot, in allen möglichen Schattierungen. Ich habe Delfine und erstmals auch Wale gesehen, den Atlantik überquert, viele interessante Menschen kennengelernt, neue Häfen und Länder gesichtet. Doch was werde ich von meinem immerhin ¼ Jahr auf See dauerhaft mitnehmen, wie hat mich meine Zeit hier geprägt?

 

Was mir mit der Zeit aufgefallen ist: Die Motivation der Leute, die sich mit der Avontuur auf die Reise begeben, unterscheidet sich gravierend von der auf anderen – gewöhnlichen – Frachtschiffen. Einerseits alleine schon dadurch, dass die Hälfte der Mitfahrer aus Trainees besteht. Also zahlenden Gästen, die zwar in den Bordbetrieb eingespannt sind aber doch keine Besatzungsmitglied sind. Sie sind an Bord um 1. eine gute Zeit zu haben und um 2. Segeln zu lernen. Andererseits gibt es dann noch die professionelle Besatzung: Drei Nautiker (Kapitän, Erster und Zweiter Offizier) sowie drei Deckleute. Und selbst hier liegt die Motivation dafür an Bord zu sein woanders als gewöhnlich in der Frachtschifffahrt. Natürlich, es ist ein Job, der mit der nötigen Ernsthaftigkeit ausgeführt wird und auch (möglichst) angemessen bezahlt wird. Geld steht jedoch definitiv nicht im Vordergrund – ganz anders als üblich in der Frachtschifffahrt, wo es nur um das Geldverdienen geht. Es verbindet alle an Bord der Glaube an eine bessere Welt, sauberen Warentransport und fairen Handel. Das mag sich hochtrabend anhören, wird jedoch auf der Avontuur tagtäglich ganz praktisch gelebt und regelmäßig diskutiert. Angefangen bei der Mülltrennung über sparsamen Wasser- und Energieverbrauch bis hin zu bewusstem Essen. Ich selbst habe viel gelernt zu den Themen Ernährung, Energie und Konsum, und werde wohl auch nach meiner Rückkehr an Land weiter einen bewussteren Lebensstil pflegen als zuvor. Einfach weil ich hier erlebt habe, wie positiv sich kleine Veränderungen im Alltag auf meine Umwelt auswirken können. Ganz ohne irgendwelche Einbußen an Lebensqualität.

 

 

Gelernt habe ich an Bord also weit mehr, als nur Segeln. Es war eine sehr intensive Zeit, körperlich und psychisch, in der ich oft meine Grenzen ausloten konnte. Sei es bei einem Sturm in der Biskaya mit Windstärke 11, wo man trotz Rollen und Übelkeit auf den Beinen bleiben und Wache gehen musste. Oder sei es während meiner ersten Wochen als Offizier, wo das Viele Neue mich zu erschlagen schien. Ich bin an meine Grenzen gestoßen, und habe sie teilweise durchbrochen. Habe derart viele praktische Fähigkeiten an Deck erlernt, wie ich es in meinen 12 Monaten als Kadett auf Frachtschiffen nicht annähernd getan habe. Schoten, Gaffel, Fieren, Halsen – all diese mir vormals unbekannten Begriffe sind mir in relativ kurzer Zeit beinahe in Fleisch und Blut übergegangen. Doch was ich für mich persönlich aus meinen 3 Monaten an Bord der Avontuur vor Allem mitnehmen werde, ist ein gesteigertes Verantwortungsbewusstsein. Gegenüber meinen Mitmenschen, der Gesellschaft, und unserer Umwelt.

 

Glücklicherweise steht Timbercoast mit diesem Projekt nicht alleine da, zahlreiche Initiativen weltweit arbeiten in dieselbe Richtung. Und die Zeit dafür scheint genau richtig. Das Bewusstsein großer Bevölkerungsschichten für ihren Konsum steigt (Stichwort lokal und biologisch). Menschen interessieren sich wieder dafür, was sie essen und wo es herkommt.

 

Warentransport über das Meer wird seit Jahrhunderten durch Segelfrachter durchgeführt, und der sich beschleunigende Klimawandel sollte Anstoß genug sein, diese traditionelle Art des Frachtverkehrs wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Natürlich nur als Teil einer Palette an grünen Frachtern – außerdem gilt es bestehende Flotten zu modernisieren und Neubauten mit sparsameren Antrieben auszustatten, und ganz besonders darum auf Lange Sicht auf Schweröl zu verzichten. Fracht mit der Kraft des Windes zu befördern sollte dabei aber nicht unterschätzt werden, zu groß ist das Potential. Gerade durch den Einsatz moderner Segelsysteme (Stichwort DynaRig) wären hier  auch noch effizientere Möglichkeiten verfügbar, sich diese Energie nutzbar zu machen.

 

 

Ob das passieren wird ist abhängig von zwei Faktoren. Erstens von Unternehmen und Investoren, die das Potential solcher Projekte erkennen und fördern müssen. Zweitens – und viel wichtiger – von uns als Konsumenten. Wenn wir darauf achten wie unsere Produkte zu uns gelangen, und entsprechende Kaufentscheidungen treffen, werden sich die beteiligten Firmen ganz automatisch darauf einstellen. Dann ist der Kaffee im Discounter bald nicht mehr nur Fairtrade und Bio, sondern auch noch Fair Transportiert. Man wird ja noch träumen dürfen.

 

Für meine Zeit auf der Avontuur bin ich sehr dankbar, und kann es jedem nur empfehlen an Bord zu kommen. Um Segeln zu lernen, neue Länder und Menschen zu entdecken, und auch um sich selbst besser kennenzulernen. Und um, nebenbei, die Welt ein bisschen besser zu machen.

 

-Andreas